im kontext von raum, bau und stadt

>Hours and Hours of Inactivity 2017

Bilder und Wandarbeiten, Blasenbild 1992/2017, Schaumbild 1991/2017, Luftbild, 1992/2017, Wärmebild 2016, Lochtondo 2017, Farbskala 1994, n.b.k., mit B. Allamoda, D. Artus, O. Balema, F. Balthaus, M. Danz, C. Sun Kim, W. von Kries, S. Schäfer, R. Schramm, H. Sill, S.-T. Trenka-Dalton, 4. März bis 30. April 2017, Fotos Friedhelm Hoffmann

Fritz Balthaus: Hours and Hours of Inactivity 2017

Mit den von ihm geschaffenen Objekten und Installationen geht Fritz Balthaus seit über 30 Jahren immer wieder der Frage nach, innerhalb welcher Systeme Kunst entsteht – sowohl auf ideeller, wie auch auf formaler Ebene. Schon in seinen frühen Arbeiten parodiert er Wertschöpfungsmechanismen: Junggesellenmakkaroni (1987) etwa spielt auf die Legende vom Künstler an, der zurückgezogen von der Gesellschaft und schlecht ernährt Meisterwerke erdenkt, denen Erleuchtung eingeschrieben ist. Konkret hinterfragt die Arbeit eine kunstgeschichtliche Überhöhung der Werke Duchamps, in denen der „Junggeselle“ immer wieder als philosophische Figur erscheint. Für Fahrradschlauch (1987) bringt Balthaus einen ebensolchen Schlauch in Form einer Skulptur, die an die abstrakt geschwungenen Werke von Hans Arp erinnert. Der auf einem Betonpodest platzierte Pneu steht jedoch unter zu hohem Druck, sodass er nach und nach seine Gestalt verändert und schließlich schon nach kurzer Zeit an besonders belasteter Stelle zerplatzt. Institutionskritische Ansätze bzw. ein ironischer Umgang mit den Parametern der Kunst prägen auch die späteren Werke Balthaus’. So sind seine unbetitelten „Schaumbilder“ (1991) durch eine explizite Zeitlichkeit geprägt und bleiben nur durch das ständige Mitwirken von Aufsichtspersonen intakt, welche die auf Keilrahmen aufgespannten Materialien – darunter Wischtücher oder Wildlederrechtecke – immer wieder bewässern und einseifen müssen, damit tatsächlich Schaum zu sehen ist. Die Arbeit mit Alltagsgegenständen, mit Automatisierung, ständiger Veränderung und dem Zufall steht im Widerspruch zu einer auratischen Überhöhung „von Künstlerhand“ geschaffener Werke im White Cube, dem Ausstellungsraum. Dessen Bedeutung thematisiert Balthaus u. a. auch dadurch, dass er Arbeiten schafft, die allein vorgefundene materielle Gegebenheiten zum Ausgangspunkt haben. Seit 1994 produziert der Künstler ortsspezifische Installationen, die die Lichtquellen der jeweiligen Präsentationsorte in den Fokus nehmen. Er erzeugt mit vor ihnen aufgehängten Spiegeln und Pappen rechteckige Schatten und Reflektionen – Bilder – an den Wänden, die vor allem auf ihre Erzeugungslogik, aber auch auf die Bedingungen des Sehens verweisen. Den praktischen Einfluss des Kontextes auf die Erscheinungsweise und Wahrnehmung künstlerischer Arbeiten demonstriert Balthaus auch mit VEB VAM (2003), einer Holzskulptur, die exakt den maximalen Abmessungen des Fahrstuhls und der Gänge, die den Zugang zum Albertinum Dresden bilden, entspricht und damit das größtmögliche in den Kunstraum einzubringende Objekt darstellt. Dass es ihm jedoch nicht allein um die „unsichtbaren“ physischen Voraussetzungen geht, die die Kunst „rahmen“, zeigt der Künstler immer wieder mit Werken wie etwa der 1994 für den Neuen Berliner Kunstverein produzierten Edition KAT. / AUSST., die ausgerollt einen farbigen Druck-Kontrollstreifen an der Wand bildet – die weiße Wand wird zum weißen Blatt Papier, auf dem der Text entsteht. Umgekehrt wird das Medium Katalog bzw. Buch als möglicher Ausstellungsraum betont, wie auch 2007 in einer manipulierten Ausgabe von Brian O’Dohertys Buch In der weißen Zelle (Orig. Inside the White Cube). Bei Balthaus wird die „Zelle“ zur „Zeile“ – und so auf die Funktion verwiesen, die theoretische Texte oder Kritiken und ihre Verbreitung in Publikationen für die Betrachtung und Bewertung von Kunst haben.

 

Michaela Richter

 

aus: Hours and Hours of Inactivity, hrsg. von Marius Babias, Berlin: Neuer Berliner Kunstverein, Köln: Buchhandlung Walther König (n.b.k. Berlin, Bd. 9)